Heiliger Krieg - Eine neue Geschichte der Kreuzzuege by Jonathan Phillips

Heiliger Krieg - Eine neue Geschichte der Kreuzzuege by Jonathan Phillips

Author:Jonathan Phillips
Language: deu
Format: epub
Publisher: DVA
Published: 2012-11-13T16:00:00+00:00


DIE BELAGERUNG UND PLÜNDERUNG VON BÉZIERS

Das Hauptheer zog unaufhaltsam weiter nach Süden und betrat schon bald die Ländereien eines anderen Mannes, dem man vorwarf, Häretiker zu beherbergen: Raimund-Roger Trenceval, dem Vicomte von Béziers. Seine Heimatstadt befindet sich auf einem Hügel, der die weite Flussebene des Orb überragt. Am 21. Juli 1209 erblickten Bürger, die auf den Mauern standen, zum ersten Mal in der Ferne eine Staubwolke. Langsam wurde sie immer größer; Bewegungen waren innerhalb der wogenden Masse zu erkennen und rückten allmählich ins Blickfeld. Das Sonnenlicht wurde von den Rüstungen reflektiert, Banner mit leuchtend roten Kreuzen wehten in der morgendlichen Briese, Schlachtrösser schnaubten und wieherten unter ihren Herren, während Wagenpferde schwere Karren zogen. Diese Streitmacht kannte nur ein Ziel: töten. Ein Heer aus zwanzigtausend Kreuzfahrern war zur Vernichtung der katharischen Häretiker ausgerückt, von denen sich einige trotzig hinter den Stadtmauern versteckten.19

Bischof Reynald von Béziers stand in seiner Kathedrale und versuchte, die Bewohner zur Übergabe der Stadt zu bewegen. Vor Angst versagte ihm beinahe die Stimme. Er flehte die Bevölkerung an, ihren Widerstand noch einmal zu überdenken. Er schwenkte eine Liste mit Namen von zweihundertzwanzig Personen, die der Häresie verdächtigt wurden, und warnte vor den schlimmen Konsequenzen, falls sie nicht ausgehändigt wurden. Die Antwort der Bürger war klar: Sie sagten dem Bischof, sie würden lieber im salzigen Meer ertränkt werden, als seinen Rat anzunehmen. Sie scherten sich wenig um die Autorität im fernen Rom und vertrauten ihren eigenen Überzeugungen und der Stärke ihrer Stadtmauern. Wie ein Zeitgenosse trocken kommentierte, bekamen die Bürger von Béziers jedoch »ein übles Geschenk, als ihnen geraten wurde, standhaft zu bleiben und die Schlacht anzunehmen«.20

Reynald überbrachte dem Kreuzfahrerheer die Neuigkeit. Mit grimmigem Gesicht gab Abt Arnold Amalrich von Citeaux, der päpstliche Legat und Führer der Expedition, am 22. Juli Befehl, die Belagerung zu beginnen. Anfangs waren die Verteidiger zuversichtlich, ein Kreuzfahrer wurde ergriffen, verstümmelt und von einer Brücke gestürzt. Die ranghöchsten Kreuzfahrer diskutierten bei einem Treffen über die geeignete Strategie; die Stadt schien gut befestigt. Noch während sie redeten, ertönte jedoch aus den eigenen Reihen der Ruf »Zu den Waffen! Zu den Waffen!«. Das unberechenbarste Element des Kreuzfahrerheers, die sogenannten ribauds (im Wesentlichen Bedienstete und Gefolgsleute), hatten die Nase voll von dem Spott der Städter und rannten gegen die Mauern an. Mit Knüppeln und Pickeln bewaffnet, schlugen und hackten sie auf die Befestigungsmauern ein, und ihr heftiger Ansturm löste eine Panik aus.

Verblüfft über die Fortschritte der ribauds legten die Kreuzritter eilig ihre Rüstung an und machten sich bereit zum Gefecht. Beim Anblick der gepanzerten Ritter, die sich formierten, sank den Verteidigern der Stadt der Mut, und sie ließen die Mauern und Tore im Stich. Die Kreuzfahrer drangen in Scharen in Béziers ein und schwärmten aus, von religiösem Eifer entbrannt und entschlossen, sich ihren materiellen Lohn für diesen Sieg im Heiligen Krieg zu sichern. Die ribauds witterten einen Reichtum, der ihre wildesten Träume überstieg, steckten alles ein, was nicht niet- und nagelfest war, und horteten es. Hemmungslos plünderten die Kreuzfahrer die Häuser, Geschäfte und Paläste; unterdessen suchten die Bewohner in der Kathedrale Zuflucht.



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